CUNO AMIET (1868-1961)
CUNO AMIET (1868-1961)

Die Hoffnung, 1901

Details
CUNO AMIET (1868-1961)
Die Hoffnung, 1901
unten rechts monogrammiert 'CA'
Tempera auf Leinwand
65 x 48,5 cm
Literature
George Mauner, Cuno Amiet, Hoffnung und Vergänglichkeit, Aarau 1991

Lot Essay

'Die Hoffnung' ist eine der komplexesten Kompositionen aus Cuno Amiets symbolistischer Zeit. 1901 vollendet, gilt sie gleichzeitig als die früheste Fassung dieses Bildmotives.

Zur gleichen Zeit wie Giovanni und Annetta Giacometti ihren Alberto erwarteten - dessen Pate Cuno Amiet werden sollte - waren Cuno und Anna Amiet von der Freude werdender Eltern erfüllt: 'Nun also vor allem die Storchen-Angelegenheit. Ja, Ihr Lieben, so ist es! Bei uns aber wirds hoffentlich im nächsten Oktober zu zappeln anfangen. Bis dahin ging alles sehr gut. Annel ist ganz famos zwäg und immer gleich munter. Dem Storch haben wir übrigens ein neues Paar recht lange Flügel parat, damit er die weite Reise über die Alpen ins Bergell gut bestehen könne. Ganz im Geheimen hatte ich immer Angst, dass er am Ende bei Euch noch zuerst einkehren würde. S'Annel fängt jetzt so langsam an, seine Kindssachen in Ordnung zu bringen. Was das einen Haufen zu berichten gibt! Kaum kommt man dazu etwas anderes zu schwatzen, als vom Kätheli. Denn Kätheli muss es heissen, denn dass es vielleicht auch ein Knabe sein könnte, daran hat s'Annel noch gar nicht gedacht! Mir ist alles recht, ich nehme geduldig was kommt. Aber das muss ich schon sagen, auf diese kleine Wesen freue ich mich recht sehr!' (Brief von Cuno Amiet an Giovanni Giacometti, Ostern 1901, in: George Mauner 1991)

Die schwangere Anna Amiet nimmt das Zentrum der strengen, symmetrischen Komposition ein. In einer rätselhaften, fragenden Geste hebt sie die Arme, die aus blütenähnlichen Stoffärmeln ragen. Die Lichtaureole, die Annas Haupt umgibt, verleiht dem Gemälde eine religiöse Konnotation. Die Platzierung der Frau vor einem Paneel verweist gar auf Madonnenbilder aus der Renaissance. Die zeichnerische Präzision - die der Künstler durch die Verwendung von Tempera und einer feinen gleichmässigen Umrisslinie erreicht -, erinnert an altdeutsche Meister wie Dürer.

Nach einer anscheinend normal verlaufenen Schwangerschaft wurde das Kind der Amiets - ein Knabe - tot geboren. 'Wir hatten das ungeborene Wesen schon so lieb gehabt. Unsere ganze Zukunft gehörte ihm. Nun sind wir wieder allein und müssen uns mit der Erinnerung an die glücklichen Stunden begnügen, während welcher wir von unserem Kinde sprachen.' (Brief von Cuno Amiet an Giovanni Giacometti, 30. September 1901, in: George Mauner 1991)

Von der 'Hoffnung' gibt es drei weitere Versionen, die alle zusätzlich zur weiblichen Halbfigur ein liegendes, nacktes Kind in einem Oberbild zeigen. Eine noch im gleichen Jahr wie unsere 'Hoffnung' vollendete Version befindet sich seit 1903 in der Sammlung des Aargauer Kunsthauses. Als Reaktion auf die Totgeburt des Kindes entstand 1902 als symbolistisches Memento Mori das Triptychon 'Die Hoffnung' oder auch 'Die Vergänglichkeit'. In dieser dritten Fassung sind dem Bildmotiv zwei Seitenflügel angefügt, auf denen zwei Skelette abgebildet sind. Das Triptychon wurde kurz nach der Vollendung von Oscar Miller angekauft, 1904 in der Wiener Secession ausgestellt (siehe Abbildung) und bald darauf von Richard Kisling erworben. Seit 1929 gehört es zur Sammlung des Kunstmuseums Olten. Die letzte Fassung der Hoffnung entstand erst 1904 und zeigt wiederum nur die Mutter und im Oberbild das Kind.

Das Werk ist im Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Zürich, unter der Nr. 40'413 registriert.


'Die Hoffnung' is one of the most complex compositions from Cuno Amiet's symbolic period. Finished in 1901, it can also be considered the earliest version of this specific motif.
At the same time Giovanni and Annetta Giacometti were expecting their son Alberto - Cuno Amiet was to become his godfather - Cuno and his wife Anna were also filled with the joy of parents-to-be. 'Talking about nesting. Yes, my dear friends, it is true! We hope to hold a kicking baby in our arms by next October. Things have been going very well. Anneli is bright and cheery. She has now started to get everything ready for the child. There is so much to tell! We hardly talk about anything else than Kätheli. Anneli insists on calling her Kätheli ignoring completely the possibility that it might be a boy! I am fine with anything, I patiently await the things to come. But I have to say that I am very much looking forward to this little creature!' (Letter of Cuno Amiet to Giovanni Giacometti, Easter 1901, in: George Mauner 1991)

The pregnant Anna Amiet takes up the centre of a strict, symmetric composition. In an enigmatic, questioning gesture she raises her arms, which jut out from flower-like sleeves. The aureole of light that surrounds her head give the painting a religious connotation. The model's positioning in front of a panel refers to the Madonna paintings of the Renaissance. The accuracy of the drawing - which the painter achieves with the application of tempera and a fine, even outline - reminds us of old German masters such as Dürer.

After what seemed a normal pregnancy, the child - a boy - was stillborn. 'We had already loved this unborn creature so much. Our entire future belonged to him. Now we are again alone and have to content ourselves with the memory of the happy hours, during which we spoke about our child.' (Letter from Cuno Amiet to Giovanni Giacometti, 30 September 1901, in: George Mauner 1991)

There are three further versions of 'Die Hoffnung'. In addition to the female half-figure, they all show a reclining, naked child in an upper drawing. One version, which was finished in the same year as our painting at hand, has been part of the collection of the Aargauer Kunsthaus since 1903. In 1902, as a reaction to the stillbirth and a symbolic memento mori, Amiet painted the triptych '‚Die Hoffnung', also called '‚Die Vergänglchkeit'. In this third version the central motif is flanked by two wings showing two skeletons. Oscar Miller bought the triptych soon after its completion. In 1904 it was exhibited at the Vienna Secession (see illustration) and shortly afterwards bought by Richard Kisling. Since 1929, it has been part of the collection of the Kunstmuseum Olten. The last version of '‚Die Hoffnung' was created in 1904 and again depicts only the mother and, in an upper drawing, the child.

The painting is registered as no. 40'413 with the Swiss Institute for Art Research, Zurich.

More from Swiss Art

View All
View All