Lot Essay
Sur la plage ist zweifelsohne eines von Vallottons berühmtesten und schönsten Meisterwerken. In der Tat nimmt dieses Bild nicht nur innerhalb von Vallottons Werk, sondern in der Malerei der Jahrhundertwende allgemein eine wichtige Stellung ein:
1903 stellte Félix Vallotton Sur la plage in der Wiener Secession in einer Serie von Bildern aus, die er 1898 am Strand von Etretat, einem kleinen Badeort nördlich von Le Havre, gemalt hatte. Kritiker reagierten damals mit Unverständnis, da die plakativen, holzschnittartigen Werke ausser dem Motiv mit den luftigen, ephemeren Strandszenen, die sie von den Impressionisten gewohnt waren, nichts mehr gemein hatten. Die von den Nabis beschworene Reduktion auf Fläche und Farbe findet hier ihren konsequentesten Ausdruck; landschaftliche Akzente werden auf die Gegensätze aufeinandertreffender, vibrierender Farbflächen reduziert. Die Figuren werden ornamental, fast zeichenhaft hervorgehoben.
In seiner Bildmonographie im oben zitierten Katalog Die Nabis, Propheten der Moderne, bringt Rudolf Koella das Gemälde in einen grösseren Zusammenhang:
'Dass einer es wagen konnte, Motive, die vor ihm die Impressionisten auf so zauberhafte Art mit Atmosphäre und Licht angefüllt hatten, bis auf ihre elementarsten Strukturen zu reduzieren, fand auch ausserhalb Frankreichs nur wenig Verständnis. Als Vallotton 1903 eine Reihe solcher Etretat-Landschaften in der Wiener Secession zeigte, darunter das meisterhafte Bild "Sur la plage", meinte denn auch ein führender Kritiker: "Seine Landschaften sind das Unerfreulichste, was ich mir denken kann - für Karikaturen auf die Landschaft fehlt mir das Organ.'
Was diesen Kritiker am meisten störte, war, wie er sagte, die schrille Farbigkeit der Bilder. Im Gegensatz zum sonoren Chromatismus, wie ihn die Nabis noch Mitte der neunziger Jahre gepflegt hatten, ist die Lokalfarbe hier so sehr ins Expressive gesteigert, dass ihre Darstellungsfunktion völlig hinter den Eigenwert zurücktritt. Dies aber hat nicht nur eine Verabsolutierung der einzelnen Gegenstandsformen zur Folge, sondern bisweilen auch eine höchst irritierende Aktivierung der Zwischenräume. Die Farbe schliesst das Gegenständliche nicht mehr zusammen, sondern zerstückelt es, und diese Fragmentierung des Bildraums wirkt bei Vallotton um so gnadenloser, als sie von einer äusserst harten Umrissführung und einer fast plakativ anmutenden Malweise begleitet ist.
Und doch ist diese Art farbiger Gestaltung nur ein weiteres Beispiel für ein kunstgeschichtliches Phänomen, das sich um 1900 verschiedentlich nachweisen lässt, so bei Edvard Munch oder beim jungen Picasso. Hatten in der modernen Malerei "die Jahre 1888-1898 die expressive Komponente zugunsten dekorativer Stimmungshaftigkeit unterdrückt", so erfolgte um 1900, wie Hans H. Hofstätter schreibt, "ein Rückgriff auf den 'Frühexpressionismus' (Schmalenbach), das heisst auf eine noch stärker ausdrucksbetonte Phase des neuen Stils". Da sich dieser Rückgriff im Falle von Vallotton vor allem auf den Synthetismus von Gauguin und Emile Bernard bezog, wirkte er sich nicht nur auf die Farbe aus, sondern auch auf die Art, wie der Künstler sie auftrug. Obschon er das Pigment nur wenig verdünnte und nicht auf Leinwand, sondern auf Karton malte, muten diese Bilder trotz einzelner greller Farbklänge merkwürdig stumpf an. Dies natürlich auch deshalb, weil der Künstler noch immer auf jede atmosphärische Lichtwirkung verzichtet, das Licht vielmehr wie die Frühexpressionisten (und später die Fauves) ganz aus der Farbe hervordringen lässt.'
Cit. Rudolf Koella in: Die Nabis, Propheten der Moderne, Zürich 1993, Seite 285.
1903 stellte Félix Vallotton Sur la plage in der Wiener Secession in einer Serie von Bildern aus, die er 1898 am Strand von Etretat, einem kleinen Badeort nördlich von Le Havre, gemalt hatte. Kritiker reagierten damals mit Unverständnis, da die plakativen, holzschnittartigen Werke ausser dem Motiv mit den luftigen, ephemeren Strandszenen, die sie von den Impressionisten gewohnt waren, nichts mehr gemein hatten. Die von den Nabis beschworene Reduktion auf Fläche und Farbe findet hier ihren konsequentesten Ausdruck; landschaftliche Akzente werden auf die Gegensätze aufeinandertreffender, vibrierender Farbflächen reduziert. Die Figuren werden ornamental, fast zeichenhaft hervorgehoben.
In seiner Bildmonographie im oben zitierten Katalog Die Nabis, Propheten der Moderne, bringt Rudolf Koella das Gemälde in einen grösseren Zusammenhang:
'Dass einer es wagen konnte, Motive, die vor ihm die Impressionisten auf so zauberhafte Art mit Atmosphäre und Licht angefüllt hatten, bis auf ihre elementarsten Strukturen zu reduzieren, fand auch ausserhalb Frankreichs nur wenig Verständnis. Als Vallotton 1903 eine Reihe solcher Etretat-Landschaften in der Wiener Secession zeigte, darunter das meisterhafte Bild "Sur la plage", meinte denn auch ein führender Kritiker: "Seine Landschaften sind das Unerfreulichste, was ich mir denken kann - für Karikaturen auf die Landschaft fehlt mir das Organ.'
Was diesen Kritiker am meisten störte, war, wie er sagte, die schrille Farbigkeit der Bilder. Im Gegensatz zum sonoren Chromatismus, wie ihn die Nabis noch Mitte der neunziger Jahre gepflegt hatten, ist die Lokalfarbe hier so sehr ins Expressive gesteigert, dass ihre Darstellungsfunktion völlig hinter den Eigenwert zurücktritt. Dies aber hat nicht nur eine Verabsolutierung der einzelnen Gegenstandsformen zur Folge, sondern bisweilen auch eine höchst irritierende Aktivierung der Zwischenräume. Die Farbe schliesst das Gegenständliche nicht mehr zusammen, sondern zerstückelt es, und diese Fragmentierung des Bildraums wirkt bei Vallotton um so gnadenloser, als sie von einer äusserst harten Umrissführung und einer fast plakativ anmutenden Malweise begleitet ist.
Und doch ist diese Art farbiger Gestaltung nur ein weiteres Beispiel für ein kunstgeschichtliches Phänomen, das sich um 1900 verschiedentlich nachweisen lässt, so bei Edvard Munch oder beim jungen Picasso. Hatten in der modernen Malerei "die Jahre 1888-1898 die expressive Komponente zugunsten dekorativer Stimmungshaftigkeit unterdrückt", so erfolgte um 1900, wie Hans H. Hofstätter schreibt, "ein Rückgriff auf den 'Frühexpressionismus' (Schmalenbach), das heisst auf eine noch stärker ausdrucksbetonte Phase des neuen Stils". Da sich dieser Rückgriff im Falle von Vallotton vor allem auf den Synthetismus von Gauguin und Emile Bernard bezog, wirkte er sich nicht nur auf die Farbe aus, sondern auch auf die Art, wie der Künstler sie auftrug. Obschon er das Pigment nur wenig verdünnte und nicht auf Leinwand, sondern auf Karton malte, muten diese Bilder trotz einzelner greller Farbklänge merkwürdig stumpf an. Dies natürlich auch deshalb, weil der Künstler noch immer auf jede atmosphärische Lichtwirkung verzichtet, das Licht vielmehr wie die Frühexpressionisten (und später die Fauves) ganz aus der Farbe hervordringen lässt.'
Cit. Rudolf Koella in: Die Nabis, Propheten der Moderne, Zürich 1993, Seite 285.